November 2003

 

Appell gegen die demütigende Praxis der Charterflüge


Aufruf zur Unterschriftensammlung November 2003

Der Rat der Europäischen Union hat sich darauf geeinigt, die Praxis der Charterflüge zur Abschiebung von Ausländern auf Gemeinschaftsebene zu regeln. Diese Entscheidung fiel, ohne die Stellungnahme des Europäischen Parlaments abzuwarten. Wir wenden uns entschieden gegen dieses Vorgehen.

Wir lehnen solche Methoden zur Sammelabschiebung von Ausländern ab, denn sie tragen dazu bei, dass sich Ansichten und Praktiken unkontrolliert ausweiten, die eine Bedrohung für die Achtung und die Integrität des Menschen und eine Gefahr für die europäischen Demokratien und die Völkerverständigung darstellen.

Die Praxis der Sammelabschiebungen in Chartermaschinen führt zwangsläufig dazu, dass die zuständigen Behörden die Prüfung der Einzelsituationen vernachlässigen und - durch die mögliche Fehleinschätzung der Folgen der Abschiebung für den Einzelnen - die Institution des Asyls und die Grundrechte der Betreffenden verletzen. Ferner ist die Zwangsvollstreckung dieser Sammelrückführungen nur unter Anwendung von Polizeimethoden und -techniken durchführbar, die jederzeit in Brutalität und Gewalt ausarten und zur Verletzung der körperlichen Integrität oder gar zum Tod der Abzuschiebenden führen können.

Neben dem Angriff auf die Menschenwürde sind diese Charterflüge das Symbol und die Festschreibung einer hauptsächlich auf Polizei- und Sicherheitsmethoden ausgerichteten europäischen Politik. Es ist Zeit, der politischen Öffentlichkeit gegenüber deutlich zu machen, dass die Politik der immer schärferen Kontrollen in eine politische Sackgasse und zur Gefährdung der Demokratie führt.
Eine solche Politik ist kurzsichtig, denn das wirtschaftliche und demokratische Gefälle zwischen Nord und Süd lässt sich damit nicht verringern, und es ist illusorisch zu glauben, dass sich Einwanderungswillige und Asylsuchende durch Sicherheitsmaßnahmen vom Streben nach besseren Lebensbedingungen oder von ihrer Suche nach einem Zufluchtsort abschrecken lassen.

Kurzsichtig ist diese Politik auch deshalb, weil der irrige Glaube an die Wirksamkeit polizeilicher Kontrollen - wie die stetige Verhärtung der europäischen Gesetzgebung in den letzten 20 Jahren bewiesen hat - zwangsläufig die Grundfreiheiten und rechtsstaatlichen Grundsätze aushöhlt. Es besteht die Gefahr, dass die zunehmende Anwendung repressiver Maßnahmen schrittweise zur Errichtung eines neuen, europaweiten Polizeiregimes führt.

Die Sammelabschiebungen sind verhängnisvoll für den Frieden. Das Symbol der Chartermaschinen, die die europäischen Regierungen als abschreckendes Signal gegenüber potenziellen Auswanderern verwenden, ist vor allem eine Demütigung. Die Bilder von Dutzenden von Ausländern, flankiert von ebenso vielen europäischen Polizisten, die zahlreichen Berichte über die Anwendung brutaler Methoden, das Gefühl der Ungerechtigkeit und der Angst, das die Abgeschobenen verspüren, werden in den Herkunftsländern als Zeichen der Missachtung der einheimischen Bevölkerung empfunden.

Diese arrogante Gleichgültigkeit, mit der der Norden zu verstehen gibt, wie er mit Exilanten aus Ländern umgeht, die von Konflikten oder Armut gezeichnet sind, macht im kollektiven Gedächtnis die Erinnerung an Jahrhunderte lange Unterdrückung, Ausbeutung und Demütigung durch die Kolonialregime lebendig. Sammelabschiebungen schüren Ressentiments, Wut und Hass und werden früher oder später zu Auflehnung und neuen Konflikten führen.

Die Politik der Charterflüge muss wegen der Bedrohung, die sie für die Abgeschobenen, die Demokratie und die Völkerverständigung gleichermaßen bedeutet, aufgegeben werden.

Wir fordern das Europäische Parlament auf, die Entscheidung des Rats der Europäischen Union zu verurteilen. Wir verlangen, dass dieser seine Entscheidung zurückzieht.