CAMPAGNE MEDITERRANEA NEUIGKEITEN

 

 

 

Am 18. März dieses Jahres beendete die Mare Jonio ihre erste Kampagne 2019 mit

 

der Rettung von ca. 50 Personen unweit der lybischen Küste. In den darauffolgenden

 

Tagen und während einer spannungsgeladenen Wartezeit blieb das Schiff in der

 

Nähe der Küste von Lampedusa, ohne dass die Migranten vom Bord konnten. Das

 

Schiff wurde beschlagnahmt, sein Kapitän Pietro Marrone sowie der Beauftragte Luca

 

Casarini wurden einer gerichtlichen Untersuchung unterzogen.

 

 

Seit Februar 2019 unterstützt Emmaus Italia Mediterranea durch konkrete

 

Maßnahmen (Kleider-und Geldsammlung) und verfolgt die Lage von Anfang an

 

aufmerksam. Wir tun es insbesondere jetzt, wo das Schiff Mare Junio schließlich

 

wieder ins Meer stechen konnte für eine neue Such-und Rettungskampagne.

 

 

Vor einigen Tagen – in Zusammenarbeit mit zahlreichen Freiwilligen und

 

Vereinigungen aus ganz Italien – hat Emmaus Italia an der ersten Vollversammlung

 

der Mediterranea in Rom (am 6.und 7. April 2019) teilgenommen. Ein Augenblick

 

des Teilens und der Konfrontierung, während dessen wir das Fundament für die

 

künftige Zusammenarbeit zwischen den “Landesbesatzungen” und den

 

“Meeresbesatzungen” gelegt haben.

 

 

Die Mitglieder der Mediterranea haben ihre Wirtschaftsbilanz, die sie für diese

 

Gelegenheit vorbereitet hatten, veröffentlicht. Diese Bilanz weist rote Zahlen auf, da

 

die zahlreichen Ausgaben, die mit der Verwaltung des Schiffes und der Organisation

 

der Kampagnen zusammenhängen, höher als die Einnahmen sind, wenn auch nur

 

geringfügig. Aus diesem Grunde braucht das Projekt Mediterranea mehr denn je die

 

Unterstützung aller, die sich mit den Werten, die diese Rettungtätigkeit ausmachen,

 

identifizieren.

 

 

Aus diesem Grunde hat Emmaus Italia, die eine Geldkollekte initiiert hat,

 

beschlossen, die bis heute eingesammelten Gelder – 13 000 € (eine Summe, die

 

auch die Zuwendungen von anderen europäischen Emmaus Gemeinschaften

 

beinhaltet), an Mediterranea zu zahlen. Die Unterstützungskampagne seitens der

 

durch Abbé Pierre gegründeten Bewegung wird sich in den nächsten Monaten

 

fortsetzen. Darum bitten wir unsere Freunde, uns bei der Verteilung dieser

 

Informationen, die über unsere Webseite, unser digitales Magazin und unsere

 

sozialen Netzwerke veröffentlicht werden, zu helfen.

 

 

In diesem Sinne haben wir auch beschlossen, diesen Text von Alessandra Sciurba,

 

Mitglied der Mediterranea, für Emmaus Italia mit Ihnen zu teilen. Dieser Text zeigt,

 

was Mediterranea heute bedeutet, mit welchen Zielen sie in nationalen und

 

internationalen Zusammenhängen handelt.


 

 

Zusammen auf Reisen

 

 

Wir sind erneut auf Reisen. Mare Jonio hat den Hafen von Massala für seine fünfte

 

Kampagne, die zweite im Jahre 2019, am 14. April verlassen.

 

 

Am Bord dieses beinahe 42 Jahre alten Schleppers befinden sind zehntausende

 

Menschen. Mehr noch, am Bord befinden sich alle Menschen, die im Laufe dieser

 

Monate zum Bestandteil der Mediterranea geworden sind, Menschen, die sie

 

unterstützt haben, die sie erzählt haben, wie man eine wunderschöne Fabel erzählt,

 

die lebendig wird. Am Bord befinden sich alle, die wirtschaftlich an dem schnellsten

 

und wunderbarsten crowfunding, das Italien je gesehen hat, teilgenommen haben.

 

Ich selbst bin nicht physisch am Bord anwesend und doch bin ich bei ihren Träumen

 

und ihren Sehnsüchten dabei, ich bin bei ihren schönsten Gedanken des freundlichen

 

Widerstandes dabei, in diesem so entsetzlichen historischen Augenblick; ich bin mit

 

dabei bei ihren Wünschen, Menschlichkeit und Respekt im Herzen des Mittelmeeres

 

zu bringen, da wo heute das wichtigste der Spiele staatfindet : ein Kampf zwischen

 

den Menschen, die noch an die Zukunft der menschlichen Rechte und fest am Recht

 

glauben und denjenigen, die im Gegenteil bestrebt sind, das internationale Recht

 

und die individuellen Rechte in die Willkür und die Gewalttätigkeit der Mächtigen

 

untergehen zu lassen.

 

Seit Monaten sagen wir, dass Die Geschichte und unsere Zukunft in diesem Meer

 

verankert sind. Nicht das Leben der “anderen” steht auf dem Spiel, es geht nicht um

 

einen Kampf zwischen den “lieben” und den “Populisten. Was auf dem Spiel steht, ist

 

die eigentliche Möglichkeit, unsere Gesellschaften weiterhin auf verschiedenen “nie

 

wieder” zu gründen. Nach den Jahren des Nazismus und des Faschismus, nie wieder

 

Terror, nie wieder freiheitberaubende Regimes, nie wieder Inhaftierungen und Tote

 

auf ethnischer und nationaler Basis. Die Gegner in diesem Spiel bedienen sich

 

ungleicher Waffen durch paradoxale Rollen. Einerseits die europäischen Regierungen,

 

stark und mächtig. Andererseits kleine Schiffe der Zivilgesellschaft, die alles

 

wünschten, nur nicht politische Zielscheiben werden, die in einem gewaltsamen

 

Spiel, wo es um die Haut von Personen geht, umgehauen werden sollen. Die erste

 

Gruppe hat ab 2017 der zweiten Gruppe den Krieg erklärt, als die Welt umgewälzt

 

wurde und als man anfing, die helfende Hand, die einen Menschen vor dem

 

Ertrinken rettet, zu kriminalisieren.

 

 

Die europäischen Staaten sind im Krieg gegen die Schiffe der Menschlichkeit, sie

 

sollten sich dessen schämen, aber stattdessen vergessen sie, sich um den Krieg in

 

Libyen zu kümmern, obwohl dieser Krieg vorauszusehen war und als sicher galt.

 

Diese Staaten tragen dafür die enorme Verantwortung. Das einzige institutionnelle

 

Argument in Europa ist zu wissen, wie die Libyer und die in Libyen inhaftierten

 

Flüchtlinge daran gehindert werden können, bis Europa zu gelangen, um sich gegen

 

die Bomben und die Konzentrationslager zu schützen. Nach dem völlig illegalen

 

Versuch, Libyen als einen sicheren Hafen anzuerkennen – hoffentlich wird die

 

libysche SAR Zone annuliert, ein juristischer Wahnsinn, denn kein Land, das nicht ein

 

sicherer Hafen ist, kann die Rettungsaktionen koordinieren – da taucht wieder die

 

alte engstirnige Rhetorik der Meeresblokade, sie ist auch illegal, unmöglich und

 

unmenschlich. Während dieser Zeit, zehntausende von Menschen, die hätten

 

gerettet werden können, sind von den Milizen der “libyschen Küstenwacht” gefangen

 

genommen worden und zurück in diese Hölle geschickt worden, an Schieber und

 

Vergewaltiger überreicht. Man hat sogar von ihnen behauptet, sie wären keine

 

Schiffbrüchige, weil sie zugestimmt haben, auf maroden Booten zu reisen und dass

 

ihr Schicksal nur ihre persönliche Angelegenheit wäre. Worte, die man nicht hören

 

kann: man kann nicht nach Libyen zurück, man kann nur übers Meer flüchten. Man

 

tut es auch, wenn man weiß, dass die Chancen dabei zu Sterben eins zu drei stehen.

 

“Besser man stirbt, als dass man in Libyen bleibt”. Alle Stimmen haben es gebrüllt,

 

all diese Stimmen, die bis zu uns vorgedrungen sind. Diese Stimmen aus Frachtern,

 

beladen mit Männern, Frauen und Kindern, die nach Tripoli zurück mussten, diese

 

Stimmen aus Barkassen, die Europa hat untergehen lassen, während unsere Schiffe

 

Mare Jonio, Sea Watch 3, Open Arms und alle anderen gezwungen waren, im Hafen

 

zu bleiben und machtlos die Hilferufe entgegennahmen.

 

 

In diesem Zusammenhang fürchten sich die Mächtigen vor Mare Jonio. Weil das

 

Schiff Licht und Mut und Wahrheit und Bezeugung in sich trägt, in einem Meer, das

 

ein Friedhof und eine Wüste ist. Weil die italienische Flagge an seinem Mast daran

 

erinnert, dass ein anderes Italien möglich ist, weniger feige, weniger furchtsam,

 

weniger gespalten, weniger rachsüchtig, weniger geblendet. Weil es schwer ist, die

 

Aktion der Mediterranea in Frage zu stellen, obwohl die internationalen

 

Meeresabkommen, die Abkommen zu den Menschenrechten, unsere Verfassung und

 

selbst die italienische Meeresgesetzgebung absolut auf unserer Seite sind. Es wird

 

immer deutlicher, dass es die Regierungen sind, die dauernd alle Regelungen

 

verletzen. Wir dürfen es nicht vergessen, selbst, wenn die institutionnelle Gewalt

 

erschrecken kann. Aber dieser Augenblick der Furcht geht vorbei, der Mut kehrt

 

zurück, denn das, was wir tun, ist zu wichtig. Die Heiterkeit, die unser Tun begleitet,

 

kehrt zurück. Die selbe Heiterkeit, mit der wir zu den Untersuchungen des Gerichts

 

von Agrigente stehen; es geht da um unsere Rettungsaktion vom 8. März und um

 

die Untersuchung über unser Prozedere, bevor wir, einige Stunden später, die

 

geretteten Schiffbrüchige nach Lampedusa gebracht haben.

 

 

Wir sind immer noch auf dem Meer in den internationalen Gewässern, vor den

 

Küsten Libyens, mit diesem Mut, mit dieser Heiterkeit. Wenn diese Zeilen

 

veröffentlicht werden, vielleicht werden wir gerade gerufen, um erneut Personen, die

 

ohne uns nicht überlebt hätten, zur Hilfe zu eilen. Wir werden es immer ohne

 

jegliches Zögern tun und der Bug unseres Schiffes wird immer Richtung sicherer

 

Häfen zeigen. Wir werden nicht auf Propagandaverhandlungen und illegale

 

Regierungsgespräche warten, während noch Menschen auf dem Meer sind. Unser

 

Ziel wird immer sein, sie zu schützen, zu retten und ihr Leben in Sicherheit zu

 

bringen.

 

 

Während dessen haben wir auf dem Land die größte und zahlreichste Mannschaft,

 

die es jemals gab. Eine Mannschaft von Menschen, die es leid sind, hinters Licht

 

geführt zu werden durch die, die uns davon überzeugen wollen, dass die einzige Art,

 

sich wohl zu fühlen, ist, es mit jemandem aufzunehmen, und dass die einzige Art,

 

Rechte zu haben, ist, diese Rechte einem anderen zu entziehen. Diese Rhetorik

 

funktioniert immer zu Krisenzeiten et dient den Regierungen, sich nicht mehr richtig

 

mit den wahren Problemen der Bevölkerung auseinanderzusetzen. Dieses verlangt

 

viel mehr Anstrengung, Seriosität und Anstrengung als umgekehrt das Fabrizieren

 

von Sündenböcken und einer ständigen “Dringlichkeit”.

 

Diese Landesmannschaft, die die mainstream Reden vereinfachen wollen, besteht

 

aus sehr vielen Organisationen mit unterschiedlichen Geschichten und

 

Werdegängen; sie stehen manchmal weit weg von einander durch ihre politische

 

Positionierung. Sie verfolgen aber dem gleichen Ziel in dieser Mission, die das Leben

 

und die Würde der Menschen wieder in die Mitte von allem rückt. Laizistische und

 

religiöse Vereinigungen, kirchliche Gemeinden und soziale Zentren, Parlamentarier,

 

Rentner, Studenten und Matrosen, Schulkinder wie die, die uns bei unserer

 

Versammlung in Rom am 7. April eine wunderbare Zeichnung geschenkt haben: ein

 

Schiff, unser Schiff, durch kleine Hände gemalt, ein Schiff voll mit all ihren

 

Hoffnungen.

 

 

Alessandra Sciurba Mediterranea Saving Humans